report (2003)

Fachbereich Sozialwesen ganz international – die diesjährige Hochschulwoche im Zeichen von: „Youth, Street and Violence“

„..thank you for all the hard work you put into the international week.“, „…if you get the chance, do it again.“…. -… So oder ähnlich sahen die ersten Rückmeldungen auf die vom 05.05.-09.05.03 stattgefundene Internationale Hochschulwoche zum Thema „Youth, Street und Violence (Jugend, Straße und Gewalt) aus. Organisiert und durchgeführt wurde die Hochschulwoche des Groningen Network of School of Social Work, welche Teil des Sokratesverbundes europäischer Hochschulen ist, von Studierenden des Fachbereichs Sozialwesen unter der Leitung von Prof. Dr. iur. Thomas Trenczek.

Ziel der Hochschulwoche war es, einen differenzierten Blick auf Jugendliche in ihrer Rolle als Opfer und Täter rund um das Thema Jugend, Straße und Gewalt zu legen. Der Fachbereich SW durfte nach bilateralen Besuchen in den Vorjahren erstmalig 25 Studierende und Lehrkräfte aus Belgien, Dänemark, Österreich, Tschechien, Weißrussland und den Niederlanden begrüßen. Das umfassende, englischsprachige Programm hielt für diese Woche eine Reihe an interessanten und vielseitigen Angeboten in Form von Workshops, Exkursionen, Vorträgen, Diskussionsrunden und auch kulturellen Angeboten für die Gäste und die Studierenden des Fachbereichs Sozialwesen bereit. So konnten die insgesamt 60 TeilnehmerInnen an zwei Tagen ihre favorisierten Workshops bzw. Exkursionen aus 14 Angeboten wählen.

Bereits am Dienstag bot sich den Gästen ein abwechslungsreiches Programm. Unter der Überschrift „Youth work in a satellite town“ stellte sich der Jugendclub „Treffpunkt“ in Lobeda-Ost vor, in dem es in der Vergangenheit häufig zu Konflikten zwischen politisch und kulturell unterschiedlich ausgerichteten Jugendgruppen gekommen war und es nun seit einigen Jahren insbesondere durch die aktive Einbindung der Jugendlichen selbst gelungen ist, eine breite Akzeptanz nach innen und außen zu schaffen und für viele junge Menschen sogar ein Stück selbstverwaltete „Heimat“ zu organisieren. In einem anschließenden Rundgang durch Jena-Lobeda mit den beiden Streetworkern des Jugendamts Jena, Andreas Amendt und Mandy Grazek, konnten die Gäste einen Einblick in die Straßensozialarbeit und Problemlagen von jungen Menschen dieses Stadtteils gewinnen. Am Nachmittag standen verschiedene, parallel angebotene Workshops auf dem Programm, wie beispielsweise ein Mediationsworkshop, ein Anti-Aggressions-Training, ein Workshop zum Thema „Gewalt in der sozialen Arbeit- Sozialarbeiter als Opfer“ sowie ein Vortrag über spezielle Hilfen und Unterstützung für Kinder, Jugendliche und jugendliche Straftäter in Dänemark.

Zentraler Gegenstand des Workshops „Social Worker as victim – Sozialarbeiter als Opfer“ war die Frage, wie SozialarbeiterInnen auf mögliche gegen sie gerichtete Gewalt durch den Klienten reagieren können. Dabei lagen Schwerpunkte unter anderem auf der Betrachtung der Begriffe Aggression und Gewalt, der Klärung von Ursachen und Hintergründen von Gewalt bei Klienten sowie die Erarbeitung von Strategien im Umgang mit Gewalt. In Diskussionsrunden und Brainstormings zu den eben genannten Themen und einem regen Austausch über erlebte Erfahrungen mit Gewalt versetzten sich die Teilnehmer aktiv in die Rolle der Klienten hinein, um Empathie für den aggressiven Klienten und Verständnis für aggressionsauslösende Umstände und Einflüsse gewinnen zu können. Die daraus entstandenen Resultate wurden den Ergebnissen der zur Vorbereitung des Workshops durchgeführten Interviews mit SozialarbeiterInnen aus verschiedenen Arbeitsfeldern gegenüber gestellt und es konnten viele Übereinstimmungen festgestellt werden. In einem theoretischen Teil wurden den Studenten verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie es ihnen gelingt, mittels Verhaltensbeobachtung Gefahrensituationen für sich zu erkennen und entsprechende Reaktionsmöglichkeiten zu entwickeln. Anhand einer praktischen Übung konnten die TeilnehmerInnen individuelle Grenzen des persönlichen Schutzraumes durch das Austesten von Nähe und Distanz herausfinden. Am Ende des Workshops stand ein Deeskalations- und Selbstverteidigungstraining der Wing-Tsun Schule Jena unter der Leitung von Herrn Stefan Schwind-Henze, der als Gastdozent für den Workshop gewonnen werden konnte. Hierbei wurde den angehenden SozialarbeiterInnen gezeigt, wie sie bei drohender Gewalt reagieren können, sowohl um sich selbst zu schützen, als auch die Aggression im Gegenüber gering zu halten, immer nach dem Grundsatz „Der beste Kampf ist einer, der nie stattgefunden hat!“

In dem Workshop „Victim-Offender-Mediation“ wurde die Mediation als grundlegende Methode des Täter-Opfer-Ausgleichs zum zentralen Thema gemacht und als Möglichkeit zur Konfliktlösung im Rahmen dieses Täter-Opfer-Ausgleichs präsentiert. Neben einem Brainstorming und theoretischen Inputs zu den Themen Konflikt, Kriminalität, Täter-Opfer-Ausgleich sowie der Rolle des Mediators konnten sich die TeilnehmerInnen auch aktiv in praktischen Übungen (z.B. aktives Zuhören, Wirkung von Du und Ich Botschaften) und einem Rollenspiel zu typischen Konfliktsituationen Jugendlicher/ junger Erwachsener ausprobieren.

In der Gastvorlesung „Special support for children and young persons and special measures for young criminals in Denmark“ stellte die Dozentin unserer Partnerhochschule in Odense, Frau Ingelise Bech Hansen, die Strukturen und Maßnahmen dänischer Präventionsprogramme und Behandlungsmaßnahmen für jugendliche Straftäter vor. In der anschließenden Diskussion wurden die Parallelen und Unterschiede der jugendrechtlichen Sozialkontrolle in Dänemark und Deutschland herausgearbeitet und diskutiert.

Das Anti-Aggressionstraining (AAT), das unter Leitung von Andreas Jakob vom Jugendförderverein Saalfeld durchgeführt wurde, ist ein Training, was sich an jugendliche Straftäter richtet. Ziel soll sein, dass sich die Jugendlichen ihres Handelns bewusst werden und sich sowohl in die Täter- als auch in die Opferrolle hineinversetzen müssen. Nach einer theoretischen Einführung über Ziele, Aufgaben und Methoden des AAT bekamen die TeilnehmerInnen die Möglichkeit, sich in einigen methodischen Elementen des AAT auszuprobieren. Neben Übungen zum sich fallen lassen bzw. sich führen lassen, konnten die Studierenden ihren Aggressionen auch „aktiv“ freien Lauf lassen, durch eine Schlagübung mit gepolsterten Schaumstoffstöcken. Durch diese Übung, die allen Beteiligten sichtlich Spaß gemacht hat, sollten Aggressionen herausgelassen und sichtbar gemacht werden. Zum Abschluss mussten einige TeilnehmerInnen die „Opfergasse“, ein wesentliches methodisches Element des AAT, durchlaufen, wobei eine typische Situation, in der es zum schnellen Aufbau von Aggressionen kommen kann, nachgestellt wurde. In einer von den Studenten gebildeten Gasse, wird ein Teilnehmer von dem Trainer verbal als auch körperlich enorm provoziert und muss sich dieser erwehren. Hier soll verdeutlicht werden, wie man durch sein Verhalten Aggressionen steigern, verringern oder auch abwenden kann. Die dabei gewonnen Erkenntnisse wurden anschließend von allen Beteiligten reflektiert.

Am Mittwoch standen mehrere Exkursionen in Verbindung mit weiterführenden Workshops zu den Themen „Life in Youth Prison“, „Children as Victims – Family Violence“, „Drug Addiction an Drug Prevention“ oder „Refugees and Migrants in Thuringia“ auf dem Programm.

Der Workshop „Life in Youth Prison“ („Leben in Jugendstrafanstalten“), welcher im Anschluss an dem Besuch der Jugendstrafanstalt Ichtershausen stattfand, beschäftigte sich neben der Reflexion der gewonnen Eindrücke und Gedanken aus dieser Exkursion mit den verschiedenen Facetten der Problematik Jugendstrafe, Jugendstrafanstalten sowie mit der Frage nach dem Sinn der Jugendstrafe und möglicher Alternativangebote in den verschiedenen Heimatländern der TeilnehmerInnen.

Nach einer Einführung durch den Anstaltsleiter Herrn Wilbert bekamen die TeilnehmerInnen bei einem Rundgang einen Einblick in den Lebens- und Arbeitsalltag der Inhaftierten. Diese nachhaltigen Eindrücke wurden zu Beginn des Workshops reflektiert und mit dem Film „Frischfleisch“, einer Spielfilmproduktion von Jugendlichen der JVA Ichtershausen, untermauert, in der einige gravierende Alltagsprobleme der Jugendlichen, wie beispielsweise Sexualität oder Machtspiele, thematisiert wurden. In einer abschließenden Gruppenarbeit konnten sich die TeilnehmerInnen unter der Fragestellung: „Ist Jugendstrafe sinnvoll? Welche Alternativen gibt es dazu in den verschiedenen Ländern und welche Alternativen könnte es geben?“ verständigen. Die Ergebnisse wurden im Plenum vorgestellt und diskutiert.

Auch der Workshop „Family Violence – Children as victims” (Gewalt in der Familie- Kinder als Opfer) ermöglichte allen Teilnehmern durch die Exkursion zur sog. Inobhutnahmestelle “Schlupfwinkel“ in Gera ein detailliertes Bild über die praktische Arbeit einer Einrichtung in Thüringen für Kinder in Notlagen. Der Schlupfwinkel Gera bietet Kindern, die von zu Hause ausgerissen sind oder z.B. von der Polizei aufgegriffen werden neben einer Unterkunft Beratung, Unterstützung und Rückhalt in Gesprächen mit ihren Eltern sowie bei der weiteren Hilfeplanung mit den Heimatjugendämtern. In einem eingehenden Gespräch mit dem Leiter der Einrichtung, Herrn Werner, sowie der Mitarbeiterin Frau Göldner konnten sich die Teilnehmer ein Bild über das Arbeitsfeld, Räumlichkeiten und die Arbeitsweise des Schlupfwinkels machen. Zentraler Gegenstand des eigentlichen Workshops stellten die vorangegangenen Erkenntnisse aus der Besichtigung des Schlupfwinkels dar. Auch in diesem Workshop wurden Erfahrungen und Kenntnisse der Gäste und deren Heimatländer aktiv einbezogen, so dass sie nicht nur Einblicke in aktuelle Projekte der jeweiligen Länder bekommen konnten, sondern diese auch zu untersuchen, miteinander zu vergleichen und gegeneinander abzuwägen. Aus diesen Erkenntnissen heraus wurde letztlich eine „ideale“ Hilfe konstruiert, die alle Ergebnisse umfassend berücksichtigte, um somit familiärer Gewalt tatsächlich begegnen zu können.

In dem Workshop „Drug addiction and drug prevention“ (Drogenabhängigkeit und prävention), der mit einer Exkursion in die Drogenberatungsstelle „ACCEPT“ in Altenburg verbunden war, bestand die Möglichkeit sich mit der praktischen Arbeit einer sozialen Einrichtung in Thüringen im Bereich integrativer Drogenarbeit vertraut zu machen. In einer Einführung wurde neben dem Konzept und den Aufgaben der Beratungsstelle auch Informationen über die geschichtliche Entwicklung der Drogenproblematik in Altenburg sowie über verschiedene initiierte Projekte der Beratungsstelle im Bereich Öffentlichkeitsarbeit vermittelt. Bei der anschließenden Fahrt durch Altenburg wurde neben einer Ausbildungsstätte für drogenabhängige Jugendliche auch ein „sozialer Brennpunkt“ Altenburgs aufgesucht, wobei die dortigen Sozialarbeiter über ihre Arbeit im ansässigen Jugendclub und als Streetworker berichteten. Kernpunkt des nachfolgenden Workshops bildete eine Diskussionsrunde über Erfahrungen und Konzepte der TeilnehmerInnen in ihren Heimatländern im Bereich Drogenprävention. Hierbei diskutierten sie Vor- und Nachteile dieser Modelle in einer regen und aktiven Auseinandersetzung.

Dem Workshop zum Thema Flüchtlinge und Migranten in Thüringen – „Refugees and Migrants in Thuringia“ ging eine Exkursion zur Asyl-Erstaufnahmeeinrichtung „Forst“ in Jena voraus. Nach einem Rundgang durch die Einrichtung sowie einer Vorstellung des Konzeptes und der Aufgaben durch die Leiterin der Einrichtung, Frau Krüger, wurden gemeinsam mit einer Vertreterin vom Ausländerbeirat diverse Aspekte wie Gesundheitsvorsorge, Asylgesetzgebung oder Zukunftsperspektiven der Asylbewerber thematisiert. Im folgenden Workshop reflektierten die Teilnehmer die dort gesammelten Eindrücke und im gemeinsamen Austausch mit Frau Rea Mauersberger (Kokond e.V.) diskutierten sie einige spezielle Aspekte der Asylgesetzgebung. Auch hier wurden Parallelen und Unterschiede zur Asylgesetzgebung der Heimatländer der Teilnehmer betrachtet und analysiert.

Natürlich durfte im Rahmen der Hochschulwoche ein ausgiebiges sozial-kulturelles Programm nicht fehlen. So konnten sich die Gäste unter anderem auf einen Besuch der Höhepunkte der Kulturstadt Weimar freuen mit voran gegangenem Besuch der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald oder einer alternativen Sight seeing tour durch Jena, einer typisch thüringerischen Grillparty, wobei der krönende Abschluss der Woche die „Fare-well party“ mit einem Jonglage – und Feuerspuckspektakel sowie DJ Biern im Glashaus im Paradiespark war.

Alles in allem war die Internationale Hochschule ein voller Erfolg, sowohl für die Organisatoren als auch für die Gäste, die viele Erkenntnisse aus dieser Woche für sich und ihr weiteres Studium mitnehmen konnten. Letztlich hat diese Woche nicht nur eine Menge fachliche Erkenntnisse und Spaß für alle Beteiligten gebracht, sondern es konnten viele neue Bekanntschaften, ja Freundschaften geschlossen und ein Zeichen der internationalen Verständigung gesetzt werden.

An dieser Stelle soll allen Mitwirkenden für ihr großes Engagement gedankt werden, allen voran den mitwirkenden Gastdozenten, den Mitarbeitern und Leitern der sozialen Einrichtungen sowie den am Programm und der Vorbereitung mitwirkenden StudentInnen des FB Sozialwesen, ohne deren aktive Vorbereitung und Mitwirkung diese Internationale Hochschulwoche nicht zu realisieren gewesen wäre.

Dana Beese (FB SW, 7.Sem.)

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